«Als Bub war für uns das Hotel … die grosse, weite Welt. Es war eine Insel in einem kleinen Tal in einem noch viel kleineren Dorf. Aber so musste es ausserhalb des Tales aussehen: In Stein gebaute Häuser mit Parkettböden, Steinfliesen, Tapeten, gekacheltem Badezimmer, Wasserspülung und Telefon…»
Die Saison
«In jenen Jahren war das Hotel ein reiner Sommersaisonbetrieb. Die ersten Gäste kamen im Juni … , die meisten erst im Juli. Viele von ihnen kannten wir von ihrer Erscheinung her, weil sie jedes Jahr anreisten … Andere kannten wir sogar mit Namen…»
Der 1. August
«Ein besonderes Ereignis war jedes Jahr der 1. August, unser Nationalfeiertag. Zu jener Zeit kannte man Feiern, die von den Gemeinden organisiert wurden, noch nicht. 1. Augustfeiern veranstalteten die drei grossen Hotels des Tales, das Hotel “Fafleralp”, das Hotel “Lötschberg” in Kippel und das Hotel am Ried. Die Musikgesellschaft Blatten umrahmte immer die Feier des Hotels “Fafleralp”. Am Ried gab es für die Gäste jeweils ein besonders gutes Nachtessen, vereinzelt gingen an diesem Abend auch Gäste aus den Ferienwohnungen ins Hotel essen. Schon Tage zuvor wurde vorbereitet, gekocht und gebraten. Die Serviertöchter zogen die Wallisertracht an. Der Hotelbursche schichtete gegenüber am Nestbach Holz für ein grosses Feuer zusammen, und Herr Schröter erschien mit einer Schachtel voll Feuerwerk, das er auswärts eingekauft hatte, denn im Tale gab es so etwas nicht. Und wenn es dunkel war, begann in der Gartenwirtschaft die Feier. Oben auf dem Betonvorplatz stand der Festredner, flankiert von zwei Riednern in der Herrgottsgrenadieruniform und den Serviertöchtern in der Wallisertracht, unten an den Tischen sassen und standen die Hotel- und Feriengäste des Dorfes, nebenan auf dem Vorplatz einer Scheune waren wir Einheimische. Meistens war ein Feriengast Festredner, dem es wohl nicht allzuschwer fiel, eine kurze Ansprache zu halten inmitten einer Oase des Friedens in einer Zeit, da in den Nachbarstaaten ein grauenvoller Krieg wütete. Nachdem dann das grosse Feuer am Nestbach erloschen und das künstliche Feuerwerk verglüht war, begab man sich ins Restaurant, wo eine kleine Kapelle zum Tanz aufspielte. Das war eine der seltenen Gelegenheiten, bei der auch wir ins Hotel gingen…»
Der II. Weltkrieg.
«Der zweite Weltkrieg war ausgebrochen und die Engländer kamen nicht mehr während Wochen ins Lötschental in die Ferien. Viele Schweizer, vorwiegend junge, potentielle Bergsteiger, standen monatelang an den Grenzen Wache. Damit ging auch der Verdienst der Bergführer gewaltig zurück. Viele verbrachten einen grossen Teil der Saison in militärischen Hochgebirgskursen. Das “Führerzimmer”, im Hotel war längst umfunktioniert worden. Aber an schönen Sommerabenden kam der eine oder andere Führer ins Gartenrestaurant, nahm an einem Tisch Platz, stopfte sich seine Tabakspfeife und wartete auf Kundschaft. Wahrscheinlich war er schon glücklich, wenn ein Gast mit ihm das Gespräch aufnahm, selbst wenn dieser schon längst nicht mehr auf hohe Berge stieg. Wenn wir dann eines Tages einen Bergführer, festlich gekleidet wie am Sonntag, in grauer Drilchkleidung mit Kniebundhose, ausgerüstet mit Rucksack, Seil und Pickel, Feriengäste begleitend gegen Birchmatten ziehen sahen, dann rätselten wir, ob wohl eine Tour auf das Bietschhorn oder nur einen der umliegenden kleinen Gipfel vorgesehen sei.»
Das Ende der Saison.
«Mit dem ersten Schnee, und der konnte schon im August fallen, war die Saison meist zu Ende. Wenn die Grossreinigung begann, die grossen Treppenhausteppiche unten in einer Wiese ausgerollt, geklopft und gereinigt wurden, sich die Läden wieder schlossen, dann wussten wir, der Herbst ist da. Eines Tages sagten dann auch die Schröterkinder adieu, denn sie besuchten die Schule in Brig … Diese Schule entriss uns die Spielgefährten, und wir waren traurig, wenn dann eines Abends das Hotel wieder verlassen dastand.»